«Hang-Aar». So lautete der Projekttitel der Architekten. Und «Hangaar» wird das langgezogene, vierstöckige Gebäude auf der Einfahrtsachse zur Stadt Aarau noch immer genannt. Auf spielerisch-einprägsame Art nimmt die Begriffskombination auf standort-, bau- und gewerbegeschichtliche Aspekte Bezug: Das Hangaar-Gebäude wurde auf dem Gelände der ehemaligen Speditionsfirma Hangartner in Aarau errichtet.
Schwarz eingefärbter Beton mit weissem Marmorkies
Die sorgfältige Wahl und Ausgestaltung der Fassadenoberfläche wirkt sich positiv auf die allgemeine Akzeptanz des doch sehr grossen Gebäudes aus. So wird der HANG-AAR als städtebaulich bedeutendes Bauwerk und als optische Aufwertung im Telligebiet wahrgenommen. «Mit der dunklen Oberfläche aus schwarz eingefärbtem Beton mit eingestreutem weissem Carrara-Marmorkies wollten wir dem riesigen Volumen von 170 × 25 × 18 Metern etwas die Dominanz nehmen und der Fassade im rauen Umfeld gleichzeitig ein spezielles Aussehen verleihen», bringt Architekt Christian Frei auf den Punkt, was zweifellos ausgezeichnet gelungen ist. Durch die Abdeckung der Fensterbänke und der vertikalen Stossfugen der Brüstungsbänder mit einem farblos eloxierten Aluminiumblech erscheint die Fassade zusätzlich gegliedert und in der Horizontalen und Vertikalen fein rhythmisiert.
Eleganz und Unverwechselbarkeit
Die definitive Art und das finale Aussehen der Betonoberfläche wurde auf Grund von verschiedenen, von der MÜLLER-STEINAG ELEMENT AG erstellten Mustern ermittelt. «Die Wahl fiel auf die geschliffene Oberfläche, da uns diese bezüglich ihres eleganten Aussehens, ihrer Unverwechselbarkeit, aber auch des Alterungsprozesses und der einfachen Reinigung am meisten überzeugte», sagt Christian Frei. «Wir stellten Musterelemente von verschiedenen Oberflächen her, die geschliffen, gestrahlt oder glatt, nicht imprägniert und imprägniert waren», führt Roland Erni, Projektleiter im Werk Rickenbach, weiter aus. Die Rede ist von einem so wichtigen wie auch anspruchsvollen Prozess, der Experimentierfreudigkeit wie auch Mut voraussetzt sowie Geduld und Ausdauer erfordert: dem Prozess der Bemusterung.
Musterelemente als Basis für alles weitere
Von ersten Gehversuchen führt dieser über mögliche visuell-haptische Anschauungsbeispiele bis hin zur einen perfekten und auch durchführbaren Elementvorlage für die definitive Fassadengestaltung. «Bei diesem Schritt konnten wir bereits die ersten Erfahrungen in Bezug auf das Einstellen der Rezepturen, Einbringen des Betons, Schleifen und Imprägnieren, sprich auf den gesamten Ablauf der späteren Serienproduktion machen», so Projektleiter Erni. Die mit den Mustern erzielten Erfahrungswerte führten schliesslich zu einer Einigkeit als wichtigste Voraussetzung für das «Go» eines weiterhin herausfordernden Prozesses der Planung, Realisierung und Montage.
Mit besonderer Sorgfalt hergestellt
Der Anspruch der Architekten an die Fassadengestaltung war hoch: Verlangt war einerseits eine möglichst perfekte, einheitliche Oberfläche und Farbe, und andererseits eine Betonoberfläche, die Natürlichkeit und Lebendigkeit des Baustoffs zulässt, ja zusätzlich betont. Betonfertigteile als Gestaltungselement der Architektur also, die hinsichtlich der Oberfläche, Farbe und Form mit besonderer Sorgfalt herzustellen sind. Zweifelsohne ein interessanter «Fall» für die MÜLLER-STEINAG ELEMENT AG. Nur schon dank geeigneter Platzkapazitäten für Produktion und Lagerung – es wurden 3500 m2 Lagerfläche benötigt – war sie für die technische und logistische Bewältigung dieses aussergewöhnlichen Auftrags bestens gerüstet. Vor allem aber versteht sie es, mit Know-how und überdurchschnittlicher Lösungsbereitschaft den hohen architektonischen Anforderungen in ihrem Betonfertigteilwerk gerecht zu werden.
Spannungsfeld von antiker Tradition und moderner Serienproduktion
Eine industriell-rationelle Produktion der bestellten schieren Menge von 508 Fassadenelementen mit gesamthaft 4500 m2 geschliffener Oberfläche ist bei einem solchen Auftragsvolumen unabdingbar. Nicht weniger aber zählte eine bewusst handwerkstechnisch orientierte Verarbeitung der Einzelteile. Deshalb erinnert der gewählte Betonierablauf Roland Erni wohl nicht ganz zufällig an das typische Herstellungsprozedere von Terrazzo-Bodenplatten. «Etwas überspitzt ausgedrückt ist das, was wir an der HANG-AAR-Fassade sehen, vergleichbar mit einem in die Fassadenvertikale gebrachten Terrazzoboden.» Denn wie beim Terrazzo müssen auch hier diverseste Details genau eingehalten werden, damit später beim Schleifen eine homogene Verteilung der 9 bis 16 mm Carrara-Körnung gewährleistet ist. Hier wie dort wird mit Zuschlagstoffen (Carrara-Marmor, dunkles Hartgestein und Schwarzpigmente bei den HANG-AAR-Betonelementen) die Farbigkeit und die Erscheinung des Betons beeinflusst, so dass der später bearbeitete und behandelte Baustoff einerseits Natursteinen ähnlich sieht und andererseits Effekte erzielt, die in Naturgesteinen so gerade nicht vorkommen. Laut Roland Erni waren fünf bis sechs Arbeitsgänge mit verschiedenen Schleifsteinen von grob bis fein, mit anschliessendem Spachteln, Polieren und Imprägnieren notwendig. Handwerk pur also.
Man hat es versucht – und es hat sich gelohnt
Es ist dieses Spannungsfeld von natürlich und künstlich, von antik und modern, von industrieller Herstellungs- und handwerklichen Verarbeitungsprozessen, das diese terrazzoähnliche Fassadenoberfläche an modernster Architektur so einzigartig und so interessant macht. Sie ist der Beharrlichkeit und dem Vertrauen der Architekten zu verdanken; mit ihren Vorstellungen und Wünschen sind diese auf die MÜLLER-STEINAG ELEMENT AG zugegangen. Möglich wurde die bemerkenswerte Fassade aber auch dank der lösungs- und forschungsorientierten Betriebskultur der MÜLLER-STEINAG ELEMENT AG und der Mitarbeit vieler Beteiligten von der AVOR, Schalungsbauer, Mischmeister, Produktionsmitarbeiter, Schleiftechniker, Projektleiter Montage, Logistik, Monteure usw. Mit den geschliffenen Fassadenoberflächen hat sich der Rickenbacher Spezialist für vorfabrizierte Betonelemente auf bisher wenig bekanntes Terrain gewagt. «Aus unserer Sicht ist es voll aufgegangen», stellt Architekt Frei zufrieden fest. «Es zu versuchen» hat sich einmal mehr gelohnt. Für alle.