Das Horn signalisiert Gefahr. Dreimal bläst der Sprengmeister ins Horn, dann zündet er die Sprengladungen. Bis zu 10’000 Kubikmeter Kieselkalk – ein äusserst hartes und beständiges Gestein – lösen sich bei einer Sprengung vom Fels. In den Wintermonaten wird im Steinbruch Rüti hoch über dem Alpnachersee etwa alle drei Wochen gesprengt. Die anspruchsvolle und gefährliche Arbeit wird von Experten der Gasser Felstechnik AG ausgeführt. «Sie führen solche Sprengungen fast täglich durch und sind routiniert. Daher überlassen wir diese Arbeit gerne den Spezialisten», sagt Patrick Lussi, Leiter Hartsteinprodukte im Werk Rotzloch. Ohne Ausbildung darf sowieso nicht mit Sprengstoff hantiert werden, deshalb holt man externe Hilfe.
Kraftpakete bei der Arbeit
Über das abgesprengte Material herrschen jetzt Martin Burch und René Imdorf. Der Steinbruch Rüti ist ihr Reich, ausser ihnen ist niemand hier oben. Martin Burch bedient den Hydraulikbagger und schaufelt den abgesprengten Kieselkalk laufend in die mobile Backenbrechanlage. Diese ist ein wahres Kraftpaket: Sie bricht dicke Gesteinsbrocken auf Stücke mit einer Korngrösse von maximal 250 Millimeter – scheinbar mühelos. Das ausgeworfene Material nimmt René Imdorf mit dem Pneulader auf. Sein Ziel ist der Vertikalschacht: Vom 585 Meter über Meer gelegenen Steinbruch geht es fast 100 Meter senkrecht nach unten. Bis zu 11 Tonnen Gestein – soviel kann der Pneulader in einer Fahrt transportieren – donnern auf einmal abwärts.
Ein routiniertes Duo
Mit dem nötigen Respekt bedienen Burch und Imdorf die schweren Maschinen: «An die grossen Maschinen gewöhnt man sich schnell. Es ist mittlerweile Routine», sagt Imdorf. Alle zwei Wochen wechseln die Beiden das Arbeitsgerät. Aber geht man sich nicht mit der Zeit auf den Wecker, wenn man immer nur zu zweit im Steinbruch arbeitet? «Überhaupt nicht», verneint René Imdorf. «Wir sehen uns ja nur beim Mittagessen», fügt er mit einem Augenzwinkern an. Ihr abgelegener Arbeitsplatz hat an schönen Tagen durchaus seine Vorteile: Zu ihren Füssen liegt idyllisch der Alpnachersee und über dem See thront majestätisch der Pilatus – eine traumhafte Kulisse.
Vom Rotzloch, über den Vierwaldstättersee, in die ganze Schweiz.
Im Werk Rotzloch bricht man den Kieselkalk, der rund einen Kilometer entfernt abgebaut wird, in die passenden Grössen.
Automatisiert in die richtige Grösse
Zurück zum Kieselkalk: Unten am Vertikalschacht wartet ein Förderband auf die Gesteinsbrocken. Über eine Distanz von einem Kilometer führt es unterirdisch zu einem Silo im Rotzloch, wo für die MÜLLER-STEINAG BAUSTOFF AG produziert wird. Ein Gesteinsbrecher verkleinert das angelieferte Material nun weiter. Steine mit einer Korngrösse zwischen 32 und 50 Millimeter verwendet man als Gleisschotter. Kleinere Kieselkalk-Stücke siebt man aus. Diese gelangen hauptsächlich im Strassenbau zum Einsatz, zum Teil gehen sie aber auch in die eigene Betonproduktion. «Im Verarbeitungsprozess des Kieselkalks sind viele Arbeitsschritte automatisiert. Der Mensch nimmt aber eine wichtige Kontrollfunktion wahr», erklärt Patrick Lussi.
Auf dem Seeweg zum Bahnverlad
Das Rotzloch verlässt der Kieselkalk auf verschiedenen Wegen, der Gleisschotter beispielsweise auf dem Seeweg. Markus Hönig befördert das Endprodukt mit dem Pneulader in den Aufgabebunker. Über ein Dosier- und ein Seeverladeband, das die Steine abwiegt, gelangt der Gleisschotter auf den «Fritz». 500 Tonnen werden auf das Motorlastschiff der Seeverlad + Kieshandels AG verladen. Die Zusammenarbeit mit der SEEKAG macht laut Patrick Lussi Sinn: «Die SEEKAG verfügt in Luzern über eine Verladeanlage. Dort kann der Gleisschotter direkt auf Bahnwagen verladen werden.» Auf dem Schienennetz geht es dann zum Bestimmungsort. Ein Teil des Schotters, der Mitte März beim Besuch des FACTUMS abgebaut wurde, liegt nun im umgebauten Bahn-hof Alpnachstad. Dort, nur 3,5 Kilometer Luftlinie vom Steinbruch Rüti entfernt, trägt er massgeblich zur Stabilität der Gleisanlage der Zentralbahn bei.